Wer Jonas Spengler erreichen möchte, sollte es nicht in seinem Büro versuchen. Das steht mal wieder leer. Als er ans Handy geht, befindet er sich in einer schalldichten Telefonkabine. Sie steht in einem Coworking Büro in Berlin. Gestern sei er in Leipzig gewesen. Neulich erst auf den Kanaren. Spengler ist Mitgründer von Komoot, einem Start-up, das Outdoortouren anbietet. 30 Mitarbeiter arbeiten für das Start-up. Das besondere: Spengler und seine Kollegen gehen nicht zusammen Mittagessen, auch nicht gemeinsam kickern oder abends noch ein Bier trinken. Sie arbeiten an zwölf verschiedenen Orten, jeder wo es ihm am besten gefällt. Sie arbeiten remote.

Remote lässt sich übersetzen mit abgelegen oder weit entfernt. In der Arbeitswelt steht der Begriff für die freie Wahl des Arbeitsorts – meist weit weg vom Büro. Unter Freiberuflern ist dieses Arbeitsmodell schon etabliert: Programmiererinnen, Journalisten oder Grafikerinnen entwickeln, schreiben oder zeichnen im Coworking Space oder in einer Hängematte auf Bali. Die sogenannten digitalen Nomaden lassen sich vom Wetter, der besten Welle oder den günstigsten Bierpreisen treiben. Weil sie ohnehin keinen festen Büroplatz haben, kennen sie Kollegen und Vorgesetzte oft nur aus E-Mails oder Videocalls. Sie brauchen für ihre Arbeit kaum mehr als einen Laptop und eine stabile Internetverbindung.

Unter Palmen ohne Urlaubsgeld

Bislang ist es aber so: Die uneingeschränkte Freiheit geht einher mit der Unsicherheit der Freiberuflichkeit. Digitale Nomaden können nur deshalb unter Palmen oder auf dem Kreuzfahrtschiff arbeiten, weil sie gleichzeitig auf Urlaubsgeld und Sozialversicherung verzichten. Angestellte hingegen haben nicht nur einen festen Vertrag, sondern auch einen festen Arbeitsplatz, so ist das zumindest noch die Regel.

Der Arbeitsalltag der meisten Festangestellten in Deutschland ist strukturiert durch Konferenzen, Kollegengespräche und Kantinenbesuche. Auch Komoot hat so angefangen, in einem beschaulichen Büro in der Potsdamer Innenstadt, direkt an der Havel gelegen. Sieben Jahre lang saßen die Programmierer und Projektleiter hier zusammen – bis die Gründer ihren Mitarbeitern Anfang 2017 sagten, dass sie nicht mehr ins Büro kommen müssten. Sondern stattdessen von überall aus arbeiten könnten.

Wieso nicht Radfahren und gleichzeitig arbeiten?

"Diese Arbeitsweise passt am besten zu unserem Leben", sagt der Unternehmer Spengler. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien selbst Outdoorliebhaber. Wieso sollten sie nicht mit dem Rennrad die Alpen erkunden und gleichzeitig arbeiten können? Spengler, 36 Jahre alt, sieht man die Begeisterung für Outdooraktivitäten an. Im Netz präsentiert er sich mit Mütze und Skateboard auf der Schulter.

Er gehört selbst zu der Generation von jungen Kreativen, die andere Ansprüche an das Leben haben als einen geregelten Arbeitstag und ein festes Einkommen. Spengler fährt, wenn er nicht für Komoot arbeitet, gerne mit Rennrad und Katamaran um die Welt. Er lebt, was viele Arbeitnehmer denken: Arbeit ist nicht alles, Freizeit, Freundschaft und Familie sind mindestens so wichtig. Studien bestätigen das regelmäßig: Berufseinsteiger wollen weniger arbeiten, mehr mitbestimmen und flexibel kommen und gehen. 

Eines der ersten großen Unternehmen in Deutschland, das Büros als einzigen Arbeitsort für seine Beschäftigten abgeschafft hat, war Microsoft. Für Microsoft darf man überall arbeiten, verkündete das Unternehmen bereits vor fünf Jahren. Mit der flexiblen Arbeitsweise wolle man "die eigenen Regelwerke den Lebenswirklichkeiten anpassen". Zur gleichen Zeit wurden damals drei Standorte des Unternehmens geschlossen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten sich nicht aussuchen, von zu Hause zu arbeiten. Sie mussten zu Hause bleiben. Der Vorwurf der Gewerkschaften und anderer Unternehmen: Mit der Flexibilisierung wolle das Unternehmen lediglich Kosten für Büroflächen sparen.